1.2.22

Ohweia, schon der erste Februar, bald schon «Halbzeit» meiner Auszeit. Wie schnell die Zeit vergeht, und doch geniesse ich es hier immer wieder, so viel Zeit zu haben. Widerspruch?

Auch heute regnet es und der Himmel ist dunkel und voller schwarzer Wolken. Mir ist das egal, ich habe Sonne im Herzen und freue mich auf einen Ausflug in die Nähe von Drachten, Friesland. Dort wartet die Besichtigung eines Bauernhauses, das ich ausgeschrieben gesehen habe und das mich auf den Bildern zu den schönsten Visionen verleitet hat. Ob es der Wirklichkeit auch standhält? Auf jeden Fall geniesse ich die Fahrt dorthin durch Regen und graue Landschaften und telefoniere nochmals kurz mit «meinem» Makler, um mich optimal auf die Besichtigung vorzubereiten.

Schon als ich von der Autobahn abfahre, merke ich, wie ein «heimeliges» Gefühl aufkommt. Friesland mit seinen grünen Weiten und dem vielen Wasser ist einfach ein Ort, an dem ich mich wohl fühle, da kann das Wetter noch so trüb sein. Je weiter ich fahre, umso weiter entferne ich mich von der Zivilisation, und das Dorf, in dem das Bauernhaus steht, ist gerade mal ein paar Häuser gross. Das gesuchte Haus steht ausserhalb, ich fahre nochmals ein paar Kilometer einen schmalen Weg den Weiden entlang, bis ich es endlich finde. Wow, was für eine Lage! Herrlich einsam, abgelegen, RUHIG!

Die Besichtigung dauert nicht lange, die Maklerin hat wenig Zeit, es haben sich 30 Interessenten angemeldet und sie kann auch meine (vielen) Fragen kaum beantworten. Sehr beelendet hat mich zu erleben, wie die Tiere aktuell auf diesem BIO!!!-Bauernhof gehalten werden, der Hund eingesperrt in einen Käfig, das kaum grösser ist als er selber, die Kühe aufgereiht im eigenen Dreck, die Kälber getrennt und in Kälberhütten gestopft, die Schafe zusammengepfercht. Ich verstehe es nicht, da hat man soooo viel Platz (15 Hektaren rundherum) und stopft die Tiere in diese engen Verhältnisse?

Ich versuche, mich trotzdem einzufühlen, was ICH aus diesem Ort machen würde, und nehme mir nach dem Gespräch mit der Maklerin noch viel Zeit, mich auf dem Hof umzuschauen und mir meine Vision vorzustellen. Danach fahre ich ans Wasser, 5 Minuten entfernt ist ein Jacht-Hafen und ein wunderschönes Naturschutzgebiet, ich trotze dem Wind und mache mit Sandor eine Runde um ein kleines Gewässer, das aussieht, als wäre es eine überflutete Weide. Allerdings habe ich wenig Auge für die Naturschönheiten, mich beschäftigt der Bauernhof und der Gedanke, ob dies MEIN Ort sein können würde.

Ich bin nicht sicher, ob es der Zustand der Tiere war oder der Zustand des Hauses, der doch einiges schlechter ist als es auf den Bildern den Anschein erweckte, oder was es war, die Vision hat sich in diesem Haus nicht widerspiegelt. Obwohl die Lage wirklich sensationell ist und man mit viel Geld dort einen absoluten Traum verwirklichen könnte. Um sicher zu gehen, dass mein Bauchgefühl stimmt, fahre ich noch etwas rum, schaue mir die Umgebung gut an – und entdecke einen auch in der Schweiz sehr bekannten Reitersportladen. Ich nütze die Gelegenheit, dort eine Regendecke für Dark zu kaufen und staune beim Reinkommen: das glitzert und glänzt da drin, unglaublich. Die Niederländer(innen) sind ja noch bling-bling-geiler als die Tussis in der Schweiz! Sorry die Ausdrücke, aber da frage ich mich manchmal schon ab diesem krassen Gegensatz: goldfarbene, glitzernde Schabracken, Zaumzeuge über 300 Euro, sogar Sättel mit Swarowskisteinen und dann diese unterirdische Tierhaltung … Hmm. Wieder entferne ich mich innerlich ein Stück von dieser «normalen» Welt und merke, wie anders ich doch ticke. Immer mehr wird mir der Rückzug bewusst und auch ein Bedürfnis.

Dann besuche ich noch Drachten, ein Ort, von dem ich schon viel gehört habe. Die Friesenhengste waren früher nach der Körung zum 50-Tage-Test in Drachten aufgeboten, bevor sie ihre vorläufige Körung als Deckhengste erhalten haben. Im Ort selber war ich allerdings noch nie. Es ist ein eher kleines Zentrum, sieht aus wie alle anderen Städtezentren auch, jedenfalls für mich. Das eine oder andere Spezielle, aber das wars dann auch schon. Da ich unbedingt auf Toilette muss, gehe ich in ein Warenhaus, die Hema, ein Brand, den ich aus meiner Kindheit noch kenne und mit Dropies verbinde. Ich kaufe ein paar Kleinigkeiten und fahre dann wieder los. In der Zwischenzeit hat sich auch die Sonne durch die Wolken gekämpft, das ist der Vorteil hier im Norden, wenn es so windet. Das Wetter wechselt sehr schnell. Ich mache noch einen kleinen Spaziergang mit Sandor entlang des Wassers, schaue mir das Naturschutzgebiet an und als ich entdecke, dass dort Reitverbot ist, ist der Fall klar. Dies hier ist nicht der Ort für meine Visionen.

Auf dem Nachhauseweg habe ich mit meiner Enttäuschung zu kämpfen, und bin etwas betrübt, trotz Sonnenschein. Oder ist es auch die Beelendung, weil mir die Tiere auf diesem (und allen andern) Höfen so leid tun? Mir ist bewusst, dass die Tierhaltung auch in der Schweiz nicht besser ist, die Bauern müssen davon leben und Tiere sind für sie «Ware», die rentieren muss.

 

Am Abend wieder in Otterlo angekommen, bin ich froh zu sehen, dass es Dark gut geht, er ist auch heute pitschnass, trotzdem scheint er zufrieden. Es wartet noch viel Arbeit am PC und so bin ich erst spät in der Nacht im Bett und abgelenkt. Morgen ist ein nächster Tag und dann sehen wir weiter … 

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