5.1.22

Unsere Reise geht los. Ich bin um 8.30 im Stall, denn es hiess, der Fahrer fährt um 09.00 Uhr los. Es ist gut, dass ich so früh da bin, denn sie bringen grad alle Pferde auf die Weide, nur Dark muss drinnen bleiben. Er ist sehr unruhig – wohl nicht nur wegen den anderen Pferden, sondern auch, weil er meine Unruhe spürt. Seit den vielen Veränderungen – Ulbe, der nicht mehr alles zusammenhält und mit seiner Ruhe allen Sicherheit gibt, die beiden Stallwechsel und somit auch immer wieder die Trennung von Pablo, nun bereits zum zweiten Mal – ist er sehr gestresst, wenn er alleine ist. Leider. Also ziehe ich ihm das Halfter an und gehe etwas spazieren mit ihm, so dass er abgelenkt ist und etwas Beschäftigung hat. Da ich nicht damit gerechnet habe, dass der Chauffeur sehr lange hat zum Wachwerden und den LKW parat zu machen, laufe ich fast 40 Minuten in bitterer Morgenkälte mit Dark hin und her und bin nicht entsprechend gekleidet. Ohne Handschuhe, ohne Mütze, nur eine leichte Winterjacke, aber egal, ich halte durch und wünsche mir, dass es nun endlich losgeht. Und dass Dark ruhig und gelassen diesen Transport überstehen wird.

Endlich ist der LKW geputzt, vorbereitet und die Sachen von Dark verstaut. Dark steigt wie ein Profi ein, er vertraut mir und folgt mir sofort die steile Rampe in den LKW. Dort wird er fachmännisch angebunden und mit den Klappen fixiert, so dass er während dem Transport guten Halt hat. Ich wundere mich zwar etwas, dass kein Heunetz im ganzen LKW aufgehängt ist, gehe aber davon aus, dass dies noch geschehen wird, da ich gefüllte Heunetze im Lagerraum gesichtet habe. Der Fahrer erzählt mir noch, dass er nun an die Grenze fährt, und nach der Grenze steigen dann noch weitere Pferde dazu. Mir ist bei der Vorstellung, dass Dark die Reise nicht ganz alleine durchstehen muss, etwas wohler, und wünsche den beiden gute Fahrt. Dark wiehert noch einmal und mir wird schwer ums Herz … Ob es wirklich richtig ist, ihm diese Reise anzutun?

Im Wissen, dass ich jetzt nichts mehr für Dark tun kann, gehe ich Abschied von Pablo nehmen. Er steht sinnierend ganz alleine und abseits der Herde auf der Weide bzw. im Matsch … Ich führe ihn noch einmal zu den Heuballen, aber er wird von der Herde wieder weggejagt. Oje … ob es richtig ist, ihn jetzt alleine zu lassen …? Mir kommen grosse Zweifel und Schuldgefühle steigen auf und das Herz ist mir sehr schwer. Die Vor-Freude auf das Kommende hat (noch) keinen Platz.

Nach einiger Zeit trenne ich mich trotzdem von Pablo, setze mich halb erfroren in den Alfa, neben mir die Glücksbringer (den Stein und das Bärchen), Sandor hinten drin und ab nach Breitenbach, erst einmal einen Corona-Test machen lassen. Dieser verläuft problemlos, d.h. ab zur Tankstelle – volltanken und dann geht die Reise für mich und Sandor so richtig los.

Die Autobahn in Deutschland ist extrem gut zu fahren, es hat wenig Verkehr und nur eine etwas längere Baustelle. Wir kommen gut durch, die Sonne scheint die meiste Zeit und meine Stimmung hebt sich etwas. Wir sind nun tatsächlich unterwegs … wow. Ich kann es kaum glauben. Je länger die Fahrt, umso ruhiger werde ich und umso mehr kann ich die Sorgen zuhause loslassen. Was hätte ich denn tun können, um Pablo die Eingliederung zu erleichtern? Nichts. Die Welt in der Nordwestschweiz dreht sich bestens weiter auch ohne mich.

Nach 7 Stunden flotter und störungsfreier Fahrt mit nur einem kurzen Tankhalt kommen wir bei einbrechender Dunkelheit auf der Boerderij de Vinckenhof in Otterlo an. Der Eingang ist etwas schwer zu finden, aber ansonsten verlief die Reise optimal. Willemiek begrüsst mich freundlich, zeigt mir das Haus und die Stallungen und ich darf aussuchen, welche Boxe Dark kriegen soll. Sie sehen alle gleich aus: sehr klein für unsere Verhältnisse (3x3m), hoch vergittert und wenig eingestreut, aber so ist die Pferdehaltung in Holland, das war mir schon bewusst. Die Stallungen ansonsten sind schön, es sind leere Kuhstallungen, und es hat gutes Heu und Stroh. Da ich keine Ahnung habe, wann Dark eintreffen wird, gehe ich erst einmal das Haus einräumen, eine Runde mit Sandor laufen (der übrigens die ganze Reise voll verpennt hat) und mache dann die Boxe parat. Und nun dehnen sich die Minuten und das Warten wird lang und zur Qual … Kurz nach 17h bin ich angekommen, irgendwann meldet sich die Einsatzzentrale des Transporteurs, dass sie sich melden, sobald sie ankommen, es würde aber schon zwischen 21 und 22h werden. Ich sitze da, unfähig irgend etwas anderes zu tun als mit schlechtem Gewissen an Dark zu denken und zu hoffen, dass es ihm einigermassen gut geht.

Nach einer gefühlten Ewigkeit endlich die erlösende Nachricht: der LKW wird in 10 Minuten eintreffen, das war irgendwann NACH 22h. Mir fällt ein Stein vom Herz, als ich den LKW in die Einfahrt einbiegen sehe und ich will nun nur noch mein Pferd von diesem Transport erlösen. Der Fahrer nimmt es sehr gemütlich, schwatzt noch rum mit Willemiek, ich könnte ihn würgen und muss mich sehr beherrschen, dass ich ihn nicht anschnautze, endlich vorwärts zu machen. Dann endlich öffnet er die Klappe und Dark wiehert und ich kann ihn vom LKW holen. Mit einem Riesensprung von der Rampe setzt er seine Hufe auf das Gelände der Boerderij und ist sehr nervös, aufgedreht und unruhig. Also ab in die Boxe mit ihm, wo er sich sofort auf das Heu und das Stroh stürzt. Er frisst gierig das Heu und das Stroh und trinkt nichts, versucht mal zu biseln aber es kommt nix raus. Als ich den Fahrer frage, ob Dark mal Heu oder Wasser gekriegt hat tagsüber, verneint dieser. Ich kann es kaum fassen. Und so etwas schimpft sich internationaler pferdeliebender und sachverständiger Pferdetransporteur!?! Wie kann man ein Pferd 13 Stunden lang angebunden auf dem Camion lassen ohne Wasser und ohne Heu? Ich kann meinen Ärger kaum verbergen und kümmere mich um Dark. Alle zwei Stunden stehe ich bei ihm in der Boxe um zu kontrollieren, dass er auch wirklich keine Verstopfungskolik schiebt… Irgendwann beim dritten oder vierten Besuch sehe ich ihn dann trinken und er frisst schon nicht mehr so gierig. Gottseidank.

 

Naja, so ist meine erste Nacht im neuen Zuhause sehr unruhig, geplagt von den Sorgen um Dark und mit grossen Zweifeln, ob ich richtig gehandelt habe. Und zusätzlich ist die Nacht so richtig kalt. Der Winter ist über NL eingebrochen, es sind Minustemperaturen draussen und die Heizung im Haus ist nicht an, was ich nicht gecheckt habe. So fallen die Temperaturen drinnen auf 15° und ich bin sehr froh, habe ich noch so viele Wolldecken eingepackt … trotzdem, an Schlaf ist nicht gross zu denken. 

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